Selbstbewusst vs. „was du gerne gibst“

Kinderzeichnung mit einem großen Kreis in der Mitte, der wohl ein freundlich schauendes Meerschweinchengesicht darstellen soll, oben ein paar Haare und unten zwei Beine. Der Hintergurnd ist voller bunter Punkte und kleinen feuerwerksähnlichen Strichen auf weißem Papier.

Kürzlich raffe ich mich auf, bevor es dunkel wird noch zum Supermarkt zu gehen. Ich nehme eine Abkürzung durch eine reine Wohngegend. Hier trifft man zu Fuß kaum wen, weil fast alle mit dem Auto fahren. Was ist da vorne? – Ein Kind mit Klapptisch.

Bei Eiseskälte steht ein etwa zwölfjähriges Mädchen auf dem Gehsteig. Ein Mann kommt in unsere Richtung. Er war offenbar auch gerade einkaufen, wirft im Vorbeigehen einen Seitenblick auf den Tisch. Ich vermute, dass es ein kleiner Flohmarkt ist, um ihr Taschengeld aufzubessern, und steuere auf sie zu: „Was gibts hier?“

„Wir sammeln für das Tierheim. Sie können eine meiner Zeichnungen kaufen!“

Auf dem Tisch liegen sechs verschiedene Zeichnungen. Überall ist ein anderes Tier drauf. Vorne am Tisch hängt ein erklärendes Plakat mit den Zahlen 1 – 6.

„Wie schön, dass du fürs Tierheim sammelst!“ Erst will ich ihr einfach nur Geld geben, aber das ist so ein Erwachsenengedanke. Natürlich möchte sie ihre Zeichnung verkaufen und damit die Spende fürs Tierheim verdienen. Also frage ich: „Was kostet denn eine Zeichnung?“ – „11 Euro, aber Sie können noch handeln.“

11 Euro ist eine unerwartet selbstbewusste Forderung

… sogar mit dem Hinweis, dass man noch handeln kann. Doch genau das finde ich super! Zum einen, weil es um eine Spende geht, zum anderen denke ich mir: „So manche Kunstschaffende können davon lernen, angemessenere Preise fürs eigene Werk zu verlangen.“

Ich suche mir ein Bild aus und krame nach meinem Geldbeutel. Das Mädchen wickelt die Transaktion sehr professionell ab, weist nochmal freundlich drauf hin, dass ich noch handeln könnte. – „Warum sollte ich denn handeln, ist doch fürs Tierheim!“

Sie freut sich, ich freue mich. Als ich ein paar Meter weit weg bin, höre ich, wie ihr Vater gerade kommt – wohl, um sie zu holen, weil es mittlerweile dunkel geworden ist. Ganz aufgeregt erzählt sie von ihrem Verkauf.

Der Mut zum Mindestbetrag

Fundraising bietet eine immense Bandbreite an Möglichkeiten. Das „Kleinvieh macht auch Mist“-Prinzip ist dabei unschätzbar wertvoll: Kleingeld-Boxen an Supermarktkassen, Online-Dienste wie Teaming (wo man eine Organisation mit nur 1 Euro pro Monat unterstützt), Sachen gegen Was-du-gerne-gibst-Beträge hergeben, das ist alles wunderbar. Es hat eine niedrige Schwelle, kleine Beträge kann man eher mal ausgeben. Sogar wenn man stärker aufs Geld schauen muss, sind ein paar Cent oft dennoch möglich. Das summiert sich.

Gleichzeitig sollte man die unterschiedliche Gestaltung von Spendenaktionen nutzen. Bei sehr wertigen Waren oder Preisen beispielsweise darf eine Mindestspende – oder Gebot, wenn es eine Auktion ist – durchaus sein.

Und: Etwas, das eigentlich weniger wert ist, darf für den guten Zweck mehr kosten. Hätte ich normalerweise 11 Euro für die Zeichnung bezahlt? Natürlich nicht. Denn in Wirklichkeit habe ich hier nicht für ein Bild bezahlt, das ich unbedingt haben muss, noch dazu für diesen Betrag. Ich habe das Bild gekauft, weil ich für den Tierschutz spenden möchte und ich ihr Engagement anerkennen und bestärken möchte. Ich will unterstützen, dass sie stolz das selbst verdiente Geld überreichen kann.

Hätte sie mir gesagt, dass sie Zeichnungen verkauft, um auf XY zu sparen oder einfach nur ihr Taschengeld aufzubessern, hätte ich ihr auch eins abgekauft. Weil in diesen Situationen der Gegenwert meist gar nicht im Fokus steht: Warum spenden Menschen.

Beträge bieten Orientierung

Wenn es keine Beträge gibt, sondern nur „gegen (irgendeine) Spende“, kann das verunsichern. Ganz besonders dann, wenn es eine Spende für eine Ware oder Leistung ist, die einen klaren Gegenwert hat.

Hier hilft es, entweder einen Betrag zu nennen, wie die junge Künstlerin der Meerschweinchen-Zeichnung. Oder es gibt einfach einen Mindestbetrag.

Beispiel: Auf dem Basar eines Tierheims werden selbst genähte und bestickte Sofakissen gegen Spende angeboten. Manche haben mit „was es dir wert ist“ kein Problem, sie geben, was sie meinen – das wird eine Mischkalkulation geben: manche geben sehr wenig, manche geben deutlich mehr, wie oben schon besprochen. Doch dazwischen gibt es immer auch eine Gruppe von Leuten, die nicht genau wissen, was jetzt zu tun ist. Die nicht fragen wollen, was angemessen ist. Die nicht zu wenig geben wollen. Und das kann dazu führen, dass sie, obwohl sie gerne ein Kissen mit einer Spende verbinden würden, nichts tun.

Eine weitere Möglichkeit ist es natürlich, den Gegenwert zu beziffern, und das geht wiederum auf verschiedenen Wegen. Zum Beispiel:

Den Wert der Ware oder Leistung klar benennen: In einer stillen Auktion wird ein Hotelwochenende vergeben. Wenn der Gegenwart des Wochenendes dabeisteht, können die Menschen einschätzen, was sie für ihre Spende bekommen. Hier stellt ein Mindestbetrag unter anderem sicher, dass die großzügige Spende, die das Unternehmen gemacht hat, nicht weit unter ihrem Wert bleibt. Denn das Ziel so einer wertigeren Sachspende ist ja eine größere Summe, die dem ausgewählten Zweck zugute kommt.

Aufzeigen, was mit einem bestimmten Betrag erreicht werden kann: Es ist eine gute Orientierung, wenn Leute wissen „für Betrag X können wir 20 Katzen impfen“, „für Betrag Y ist das Futter eines Monats für das betreute Taubenhaus gedeckt“. So ist das Ergebnis, das ein bestimmter Betrag bewirken kann, viel konkreter als allgemein um eine Spende zu bitten.

Die Bandbreite nutzen

Letztlich ist es immer Psychologie. Individuelle Beweggründe führen zu Verhalten. Das beeinflusst die Spendenbereitschaft, die Höhe und Frequenz von Spenden und sollte daher immer bei Spendenaufrufen, -möglichkeiten und -aktionen mitbedacht werden.

 

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